Von Reichenecker Schafkarren, Kirchgängen und wohltätigen Stiftungen
08.11.2016
Diese wurde unter anderem geprägt von der umfassende Grundherrschaft des Klosters Pfullingen, sowie einem bemerkenswerten Steuerprivileg. Auch der Weinbau als herausragende Form der Landwirtschaft hatte in Reicheneck vom Hochmittelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein eine für die Gegend zwischen Neckar und Echaztal besondere Bedeutung.
1829 erlangte Reicheneck schließlich die uneingeschränkte kommunale Selbstständigkeit. Zuvor hatte es formalrechtlich einen Teil der Gemeinde Mittelstadt gebildet. Im Rahmen der baden-württembergischen Gemeindereform stimmten die Reichenecker 1970 schließlich mit großer Mehrheit für einen Anschluss an die Stadt Reutlingen auf 1. Januar 1971.
Aus Anlass des geschichtsträchtigen Jubiläums zeigt das Stadtarchiv in einer Wandvitrinenausstellung ausgewählte Dokumente zur Ortsgeschichte. Dazu zählt in erster Linie jene 700 Jahre alte Stiftungsurkunde von 1316, in der „Richenegge“ zum ersten Mal genannt wird. Ein Reutlinger Patrizier vermachte damals ihm gehörige Jahreseinkünfte aus einem Reichenecker Gut an eine karitative Einrichtung. Dabei hatte es sich um die sogenannte Reutlinger Armen- und Siechenpflege gehandelt.
Eine weitere, im Gemeindearchiv selbst überlieferte Pergamenturkunde von 1591 belegt Streitigkeiten zwischen zwei Hofbesitzern. Unter anderem ein als Wegsperre aufgeschütteter Misthaufen hatte zu „allerlay Zänckh“ und ehrrührigen „Schmachworten“ geführt, die es zu schlichten galt. Im damaligen amtlichen Sprachgebrauch buchstabierte sich der Ortsname als „Reicheneckh“.
Wie nachhaltig das Gemeindeleben zum Zeitpunkt der Selbstständigwerdung 1829 landwirtschaftlich geprägt war, belegt der erste Beschluss des damals neu gebildeten Gemeinderats: Es galt, den Schäferkarren der Gemeinde bei einem Sondelfinger Schreiner renovieren zu lassen. Die Bedingungen für die Auftragsvergabe wurden ebenso energisch wie ungelenk niedergeschrieben. So sollte das Vehikel „bei der Üebernam gut erfunden werden oder es würd Abzug gemacht.“
Das Protokoll einer Ratssitzung aus dem 20. Jahrhundert belegt schließlich, dass modernste Medientechnik nicht immer nur Gutes mit sich bringt. Das Reichenecker Gremium sah sich 1934 jedenfalls „vor die Notwendigkeit gestellt, infolge der fortlaufenden großen Reden u. Kundgebungen durch Adolf Hitler, einen Radio-Apparat anzuschaffen, damit die ganze Einwohnerschaft Gelegenheit hat, den Führer zu hören.“
Die kleine Auswahl an Urkunden und Akten, Bänden und Büchern sowie an Fotografien aus der Zeit vom Spätmittelalter bis ins ausgehende 20. Jahrhundert kann vor den Diensträumen des Stadtarchivs bis Ende Februar 2017 besichtigt werden. Die Wandvitrinen befinden sich bei der Rathaus-Eingangshalle und sind während deren Öffnungszeiten zugänglich.
Die Ortsgeschichte von Reutlingens kleinster Bezirksgemeinde ist im Übrigen auch Thema des Vortrags „700 Jahre Reicheneck. Zur Geschichte eines württembergischen Dorfes zwischen Neckar und Erms“. Referent ist der Leiter des Stadtarchivs Dr. Roland Deigendesch. Der Vortrag findet statt am 23. Nov. 2016 um 19.30 Uhr in der Herzog-Ulrich-Halle in Reicheneck.
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