- Es gilt das gesprochene Wort -
Rede Oberbürgermeisterin Barbara Bosch
- Sehr verehrte Gäste aus Großbritannien und Israel,
- sehr geehrter Herr MdL Hausmann,
- meine Damen und Herren des Gemeinderats, des Jugendgemeinderats, des Ausländerrats, Bezirksbürgermeister/-in,
- verehrte Freunde unserer Gäste,
- sehr geehrteDamen und Herren, die Sie heute Vormittag unserer Einladung gefolgt sind:
- Vertreter der beiden kirchlichen Dekanate,
- der Schulen,
- vom „Arbeitskreis für Christl. Jüdische Begegnung“, der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, des Arbeitskreises Israel Reutlingen, des Geschichtsvereins und des VdK,
- meine Vorgänger im Amt OB Dr. Oechsle, Ehrenbürger, und Dr. Schultes,
- die Vorgänger im Amt von BM Hahn/BM Hotz, die Herren Schuler/Prof. Engels,
- Inhaber der Reutlinger Bürgermedaille,
- die Damen und Herren Amtsleiter,
Sie alle sind gekommen, weil Ihnen die Begegnung mit unseren Gästen, den ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern Reutlingens bzw. mit deren Angehörigen wichtig ist.
Ich freue mich sehr,
Sie, sehr verehrter Herr Hans Gordon mit Ihrer Frau Eva Gordon aus Manchester und sehr verehrte Frau Hannelore Maier aus London mit Ihrer Begleiterin Frau Linda Rogers,
sowie Frau Dorit Rom und Frau Daniela Nativ, die Töchter von Frau Martha Kossmann und die Herren Ilan und Uri Elsaesser, die Söhne von Ursel Elsaesser, in Reutlingen willkommen heißen zu dürfen.
Frau Martha Kossmann und Frau Ursel Elsaesser konnten leider aus gesundheitlichen Gründen der Einladung nach Reutlingen dieses Mal nicht folgen. Das bedaure ich sehr, denn ich hätte sie auch gerne persönlich kennen gelernt. Bitte richten Sie meine herzlichen Grüße aus.
Zum 7. Mal lädt die Stadt Reutlingen ihre ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu einem Besuch in Reutlingen ein. Vor 18 Jahren fand der erste Besuch statt, damals in Verbindung mit der Einweihung der Gedenktafel an der Mauer des Heimatmuseumsgarten gegenüber der Stadtbibliothek, Sie verehrter Herr Gordon und ihre Frau gehörten damals schon zu den Gästen. Im dreijährigen Turnus finden seither die
Besuche statt. Sie sind eine Bereicherung für unsere Stadt. Ich freue mich, nach meinem Amtsantritt vor 2 Jahren erstmals mit dabei sein zu können.
Die meisten von Ihnen sind nicht das erste Mal in Reutlingen. Bei unserem gestrigen Treffen habe ich gehört, wie schwer damals der erste Schritt zurück nach Deutschland gefallen ist. Ich bewundere Ihren Mut, nach den Erfahrungen, die Sie oder Ihre Angehörigen und Freunde im Nazi-Deutschland machen mussten, und bin dankbar für dieses Zeichen der Versöhnung, das auch in Ihrem Besuch in diesem Jahr zum Ausdruck kommt. Wenn wir dauerhaft die Jugend in unserem Land und anderswo für die demokratischen Grundwerte begeistern wollen - und diesem Auftrag darf sich keine Generation entziehen -, so müssen wir ihr einerseits die Chance geben, aus der Vergangenheit zu lernen. Andererseits sind wir aufgefordert, nicht theoretisch, sondern ganz praktisch durch unser eigenes Tun zu belegen, dass freiheitliches Denken in einer gemeinsamen Welt nur auf der Grundlage von der in menschlichen Begegnungen gelebten und erfahrenen Toleranz und Achtung entwickelt werden kann. Ihr Besuch ist ein Beitrag, eine Hilfestellung, beides nicht zu vergessen, den Blick zurück, aber auch sehr bewusst nach vorn zu lenken.
Das Jahr 2005 ist ein Jahr des Gedenkens - „60 Jahre nach Kriegsende“ -. Gedenkfeiern und Veranstaltungen erinnern an die menschenverachtende, unwürdige Zeit des sogenannten „Dritten Reiches“. Es ist wichtig, speziell auch für die nachrückenden Generationen, ja mehr noch, es ist unser aller Auftrag, die Erinnerung wach zu halten und dafür zu sorgen, dass solches Unrecht und Leid nie mehr geschehen können. Dazu kann, dazu muss jede Stadt mit ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Teil beitragen, auch Reutlingen!
Seit Mitte der 1980er Jahre hat die Stadt Reutlingen begonnen diesen Abschnitt der Stadtgeschichte aufzuarbeiten. Wie ich bereits erwähnt habe, wurde im Jahr 1987 die Gedenktafel für unsere ehemaligen jüdischen Mitbürger eingeweiht, im Jahr 1995 wurde die große historische Ausstellung zum 50. Jahrestag des Kriegsendes im Spitalhof gezeigt mit zwei umfassenden Publikationen zur Geschichte Reutlingens im Nationalsozialismus und in der frühen Nachkriegszeit und seit 1999 liegt in der Marienkirche ein Gedenkbuch für die Opfer der Gewaltherrschaft 1933-1945 und die Toten des Zweiten Weltkrieges aus. Jährlich finden unter der Regie der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und von
Reutlinger Schulen mitgestaltet Gottesdienste in der Marienkirche zum Gedenken an die reichsweite Pogromnacht 1938 statt mit anschließendem Lichterzug zur Gedenktafel. Das alles sind Anlässe des Erinnerns und Nachdenkens!
Am 26. Januar diesen Jahres, am Vorabend des bundesweiten Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus und des 60. Jahrestages der Befreiung des KZs Ausschwitz, konnte ebenfalls hier im Foyer des Rathauses das für die Reutlinger Stadtgeschichte wichtige Buch „Es gab Juden in Reutlingen“ der Geschichtswerkstatt Reutlingen und ihren beiden Protagonisten Bernd Serger und Karin-Anne Böttcher vorgestellt werden, das in Zusammenarbeit mit unserem Stadtarchiv nach vielen Jahren nun zu einem guten Ende gebracht werden konnte. Auch Sie liebe Gäste haben als Zeitzeugen zum Gelingen dieses Buches beigetragen, vielen Dank. Frau Böttcher, die ich an dieser Stelle sehr herzlich begrüßen möchte, wird im Anschluss uns das Buch nochmals kurz vorstellen. Ich habe Ihnen das Buch bereits vorab mit einem Gruß auf Ihr Hotelzimmer legen lassen, vielleicht hatten Sie auch schon die Gelegenheit einen Blick hineinzuwerfen.
Das Buch ist eine wichtige Dokumentation. Es ist ein Buch gegen das Vergessen und eine deutliche Mahnung für das bürgerschaftliche Miteinander und für einen toleranten Umgang mit Minderheiten in der Gegenwart und in der Zukunft.
Während Ihres Besuch in Reutlingen möchte wir Ihnen, sehr verehrte Gäste, aber auch das „heutige Reutlingen“ zeigen. Wie alle Kommunen befindet die Stadt sich zwar momentan in einer äußerst angespannten finanziellen Situation. Trotzdem müssen wir uns auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten und unsere Stadt weitergestalten. Klare Prioritäten haben dabei die Aufgabenfelder Kinder, Kultur und Bildung. Dort fließen die höchsten Zuschussbeträge, weil wir überzeugt davon sind, dass die gesellschaftliche Entwicklung in unserer Stadt maßgeblich mit der Entwicklung in diesen Bereichen verknüpft ist. Meine Ansprache ist nicht der richtige Rahmen diese Themen zu vertiefen. Wir werden Ihnen ja auch Einiges in Reutlingen und Umgebung zeigen. Und sicher werden wir im Laufe der Woche noch Gelegenheit haben, das eine oder andere Thema aufzugreifen. Ich freue mich auf die Fortsetzung unserer Gespräche und will Ihnen ausdrücklich namens der Stadt und ganz persönlich bestätigen, wie sehr wir uns alle freuen, Sie als unsere Gäste, vielleicht darf ich sogar sagen, als unsere Freunde hier in Reutlingen zu haben. Seien sie nochmals sehr herzlich willkommen.
Im Anschluss an das nun folgende Musikstück (Titel wird nachgereicht), das die Schülerinnen der Musikschule Reutlingen, Ellen Munding am Violoncello und Ann-Sophie Scherer am Klavier darbieten, wird Frau Karin-Anne Böttcher kurz in das Buch „Es gab Juden in Reutlingen“ einführen.
Am Ende des Empfanges bitte ich Sie, sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen.